Liebe Gemeinde,
vor 33 Jahren wurde ich in der Matthäusgemeinde im Bielefelder Westen als Vikarin in einem Gottesdienst begrüßt. Dem Superintendenten Ortwin Steuernagel hatte ich zuvor naseweis erklärt, ich wolle aber lieber Krankenhausseelsorgerin werden und gleich in einem Krankenhaus Vikarin sein. Der weise Herr Steuernagel, der in jenen Tagen sehr viele, sehr junge Vikare und Vikarinnen vor sich sitzen hatte und sich schon allerlei außergewöhnliche Wünsche angehört hatte, meinte nur kurz und knapp, ich sei in eine der lebendigsten Gemeinden in Bielefeld zum Vikariat geschickt worden und solle das jetzt erst einmal kennenlernen und dann sähe die Sache vielleicht schon anders aus. Und so war es. Die Sache sah dann anders aus. Die Menschen der damaligen Matthäus Gemeinde entfachten meine Liebe zur Gemeindearbeit und an dieser Liebe hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert.
Seitdem habe ich in 7 Gemeinden, mit 6 Superintendenten, in 3 Kirchenkreisen meinen Dienst getan. Ich habe dabei Gemeinden mit sehr unterschiedlichem theologischem Profil, in städtischer oder ländlicher Lage und mit langer oder sehr junger Tradition kennengelernt. Damit hatte ich die Gelegenheit die wunderbare Vielfalt der Kirche zu erleben. Natürlich habe ich durch die vielen Jahre in Bethel und im Wittekindshof und die Arbeit meines Mannes auch ein großes Stück Diakonie kennengelernt.
Jetzt da ich in den Ruhestand gehe, füllt sich mein Herz mit immer mehr Dankbarkeit an. Darüber, dass ich die Kirche „im vollen Saft“ erlebt habe, über mutige Christen, wundervolle Weg-Begleiter und unerschrockene Lehrer, die teilweise selber noch Soldaten sein mussten, und mit dem strickten Willen zur Versöhnung und Erneuerung nach dem Krieg unterwegs waren, willens und in der Lage den Dialog mit Israel und dem Judentum zu wagen.
Ich habe Jahre lang aufregendes Bibliodrama erlebt, gelernt und geleitet. Die Arbeit mit Frauengruppen, die Frauenbewegung und die feministische Theologie waren stete Begleiter und haben mir Kraft gegeben. Fastengruppen in den Gemeinden waren eine außerordentliche geistliche Erfahrung.
Mit den Kirchenmusikern und Organisten habe ich es immer leicht und schön gehabt, ich habe wundervolle Kirchenmusik erlebt und gesungen, vom Obertonsingen über mehrstimmiges Psalmodieren, vom Gospel bis zum Bach`schen Weihnachtsoratorium, Posaunenchöre, Kirchenchöre, Gospelchöre.
Ich habe Traditionsbewusstsein und Enge genauso erlebt, wie Aufbruch und Erneuerung, Kirche mit Wagenburg-Mentalität und mit großer Offenheit. Ich habe aufregende Kirchentage in Erinnerung, auf denen ich noch Hanns Dieter Hüsch, Dorothee Sölle, Fulbert Steffensky, Bischof Tutu, Jürgen Moltmann, Schalom Ben Chorin, Hans Küng und viele andere erlebt habe. Es gab atemberaubende Bibelarbeiten, die mich haben staunen lassen über die Tiefe und Lebendigkeit biblischer Texte.
In den letzten 12 Jahre war ich Eure Pastorin - und die Eurer Nachbarn! Wenn ich mich speziell an diese Zeit erinnere, entsteht ein buntes Kaleidoskop mit großer Lebensfülle.
Besondere Ereignisse und Begebenheiten reihen sich wie in einer Perlenkette aneinander: Begegnungen mit Menschen aus dieser Gemeinde, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben, die mir die Begleitung ihrer lieben Angehörigen im Sterbebett oder im Krankenhaus anvertraut haben, mit denen ich gemeinsam die schweren Wege auf dem Friedhof gegangen bin. Ich denke an junge Menschen, mit denen ich die Hochzeiten des Lebens feiern durfte und die mir tiefe Einblicke in ihre Lebens- und Liebesgeschichten gegeben haben. Ich denke an die Familien, die Ihre Kinder zur Taufe gebracht haben. Für euer Vertrauen und die Nähe, die dabei entstanden ist, danke ich von ganzem Herzen.
Ich denke an viele innige Momente beim Abendmahl, beim Segnen, bei der Sterbebegleitung, beim Gebet. Ich denke an die Konfirmandengruppen, die mich stolz und froh gemacht haben… oder „fertig mit die Nerven.“, an begeisterte Kindergartenkinder, die bei biblischen Geschichten gebannt an meine Lippen hingen. Ich erinnere Menschen, die mit mir in intensiven Austausch über den Glauben gegangen sind, Menschen, denen ich beistehen konnte und die mir beigestanden haben. Sie alle haben mich vieles über das Leben und den Glauben gelehrt.
Ich denke an viele, viele lebendige Gottesdienste, die wir miteinander gefeiert haben, in denen der Resonanzboden unseres Glaubens manchmal so deutlich zu spüren gewesen ist, dass mich das nachhaltig berührt und bewegt hat.
Meine Arbeit hat mich erfüllt, hat mich herausgefordert, hat mir Freude gemacht. Sie hat mich reifen lassen, sie hat mein Leben mit Sinn angefüllt. Ich war mit ganzem Herzen dabei. Ich hatte und habe einen wundervollen Beruf.
Ich danke allen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen, die sich so unermüdlich eingesetzt haben, ganz besonders den Presbyterinnen und Presbytern. Und ich danke meinen Kollegen für gute Zusammenarbeit, Solidarität und manches offene, hilfreiche und tröstende Wort.
Nun schaue ich nach vorne und freue mich auf den Ruhestand und auf die Freiheit, die damit verbunden ist. Ich werde ganz viel Musik machen, mich meiner Familie widmen, reisen, Haus und Garten genießen. Und dann schaue ich, was Gott noch für Aufgaben und „eckige Runden“ mit mir vorhat.
„Ich bin ja nicht weg. Ich gebe nur Verantwortung ab.“, hat ein Gemeindeglied dieser Tage in einem anderen Zusammenhang gesagt. So geht es mir auch. Sicher werden wir in Kontakt bleiben, aber die Verantwortung tragen nun andere. Ich bin entpflichtet und das tut gut.
Nun danke ich noch einmal herzlich für 12 Jahre Gemeinschaft in den Gemeinden Mennighüffen und Siemshof und sage auf Wiedersehen. Gottes Segen mache uns stark für das Neue, das nun kommt.
Bleibt behütet.
Eure Pastorin Anke Starnitzke
Bernd Höner, 22.02.23
„Gespür für die Sorgen und Nöte der Menschen“
Nach 12 Jahren in Mennighüffen und Siemshof wurde Pfarrerin Anke Starnitzke in den Ruhestand verabschiedet
LÖHNE — Eine ihrer Aufgaben war es, neue Verbindungen zu schaffen – zwischen den Nachbargemeinden Mennighüffen und Siemshof. Dass ihr das gelungen ist, bestätigten die Menschen aus beiden Gemeinden, die am Sonntag, dem 19. Februar zu einem gemeinsamen Gottesdienst in der Heilandkirche in Siemshof zusammengekommen waren, um Pfarrerin Anke Starnitzke nach 12-jährigem Dienst in den beiden Gemeinden in den Ruhestand zu verabschieden.
Mit dem Lied „Gott ist mit dir unterwegs“ verabschiedeten sich die Kindergartenkinder zu Beginn des Gottesdienstes von der Pfarrerin. Diese stellte ihre Abschiedspredigt unter das Motto „Dankbarkeit“. Sie blickte dabei zurück auf ihre insgesamt 33 Jahre im kirchlichen Dienst – in insgesamt sieben Gemeinden, drei Kirchenkreisen, mit sechs Superintendenten und dazu noch in den diakonischen Einrichtungen Bethel und Wittekindshof. „Meine Arbeit hat mich erfüllt, herausgefordert, manchmal auch an Grenzen gebraucht – und ich habe dabei viel von Gott geschenkt bekommen“, sagte die scheidende Pfarrerin.
Sie dankte allen, die Gott an ihre Seite gestellt habe – der Familie, den Kolleginnen und Kollegen, alle haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden und Gemeindegliedern. „Die Menschen in der Gemeinde haben mir ihr Vertrauen geschenkt“, sagte Pfarrerin Starnitzke. Ihr Fazit: „Bei allem, was ich erlebt habe, war Gott im Spiel, er hat mir geholfen und oft auch Probleme ins Gelingen verwandelt.“
Offiziell aus dem Dienst entpflichtet wurde die Pfarrerin von Superintendent Dr. Olaf Reinmuth. Er skizzierte sie als Theologin mit Liebe zu Gott, zum Beruf, zu den Menschen und zur Bibel, der immer die Beziehungen zu den Gemeindegliedern wichtig war. Reinmuth sprach von der Herausforderung, in zwei Gemeinden tätig zu sein, und würdigte Starnitzkes erfolgreiches Bestreben, die Zusammenarbeit ihrer beiden Gemeinden weiterzuentwickeln.
Beim anschließenden Empfang im Gemeindehaus wurden besondere Momente des 12-jährigen Dienstes in den beiden Gemeinden deutlich. Kai Sundermeiter erinnerte an die Einführung Starnitzkes, die am 20. Februar 2011 in Mennighüffen stattfand, an die Segnungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare, die Einführung des Kinderabendmahls, aber auch an die „pandemiekonforme Weihnachtstour“ der Geistlichen während der Corona-Zeit, bei dem sie im Talar Weihnachtsgrüße in die Geschäfte brachten. Jörg Nagel erzählte von den Krellfesten in Siemshof, von Kleinkunstabenden und Epiphanias-Konzerten in der Heilandkirche. Der stellvertretende Bürgermeister Egon Schewe bescheinigte der scheidenden Seelsorgerin, „ein offenes Ohr im richtigen Moment“ gehabt zu habe und stets ein „Gespür für die Sorgen und Nöte der Mitmenschen“.
Ihren Ruhestand wird Anke Starnitzke gemeinsam mit ihrem Mann Dierk Starnitzke, dem Leiter des Wittekindshofs, im Bünder Ortsteil Holsen verbringen. Bereits vor einiger Zeit sind sie dort ihn ihr altes Elternhaus eingezogen. Die 1960 geborene Theologin studierte in Bethel und Münster. „Eigentlich hatte ich die Klinikseelsorge im Blick“, sagt sie. Aber das Vikariat in der Bielefelder Matthäus-Gemeinde machte ihr klar: „Es muss Gemeinde sein!“ Dort erlebt sie eine Gemeinde mit vielen innovativen Ansätzen und Pfarrern, die sich auch politisch und sozial engagierten. Im Entsendungsdienst war sie in der Christusgemeinde im Bielefeld Westen, in Babenhausen und in Oberlübbe tätig. Im Wittekindshof unterrichtete sie am Berufskolleg.
2011 wurde sie in die gemeindeübergreifende Pfarrstelle der Gemeinden Mennighüffen und Siemshof gewählt – mit einem Dienstumfang von 75 Prozent. „Hier bin ich auf einen ganz anderen Frömmigkeitsstil gestoßen“, sagt Starnitzke: „Beeindruckt haben mich hier das sehr große Engagement der Gemeindeglieder und eine Kirchenmusik von hoher Qualität.“
Für ihren Ruhestand freut sich Anke Starnitzke nun auf Zeit für sich, für die Familie mit drei Kindern und zwei Enkelkindern. Zwei Bienenvölker möchte sie sich anschaffen und im Naturschutz engagieren sowie natürlich reisen. Zudem singt sie mit ihrem Mann in der Bünder Kantorei. „Mir wird sicher nicht langweilig“, sagt sie.
Ihre Pfarrstelle wird nicht wieder besetzt – und bereits jetzt ist klar, dass nicht nur Siemshof und Mennighüffen, sondern mit Obernbeck und Löhne-Ort alle vier Löhner Gemeinden im Kirchenkreis Herford enger zusammenarbeiten müssen. Drei Pfarrstellen für vier Gemeinden ist die Zukunftsperspektive. Anke Starnitzke ist nach ihren Erfahrungen zuversichtlich: „Es wird eine Herausforderung, aber es wird!“ hö
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