„Ein Seelsorger und Zuhörer“ Der Siemshofer Pfarrer Jörg Nagel wurde in den Ruhestand verabschiedet

Bernd Höner, 27.06.2023

LÖHNE — „Der war hier eine Institution“, sagt eine Gottesdienstbesucherin über Pfarrer Jörg Nagel. Nach 29 Jahren Dienst in der Kirchengemeinde Siemshof wurde der 65-jährige Theologe am Sonntag, dem 18. Juni mit einem Gottesdienst in der Heilandkirche und einem anschließenden Empfang im benachbarten Gemeindehaus in den Ruhestand verabschiedet. Entpflichtet wurde Nagel von Synodalassessor Holger Kasfeld als Vertreter von Superintendent Dr. Olaf Reinmuth, der zeitgleich in Spenge Pfarrer Ulrich Gressog in den Ruhestand verabschiedete (UK berichtete).

 

„Du warst bewusst ein Seelsorger, ein Zuhörer, der den Menschen zu Seite stehen und sie begleiten wollte“, sagte Kasfeld über den scheidenden Pfarrer, der diese Begleitung gern auch mit dem Begriff „Freund auf Zeit“ beschreibt. Kasfeld fügte hinzu: „Du kannst Begleiter sein, weil du dich selbst als von Gott begleitet weißt.“ Für den Ruhestand wünschte er dem scheidenden Pfarrer Gelassenheit, zu dem ihm als Musikliebhaber auch die Musik helfen möge.

 

 Vom Gottvertrauen, vom Glauben und der Zuversicht, „dass Gott mir nahe ist, was immer geschieht“ hatte zuvor auch Nagel in seiner Abschiedspredigt gesprochen. In ihr beschrieb er auch, was ihm in seiner Arbeit wichtig war oder wichtig wurde: das Krellfest im Park hinter dem Gemeindehaus, der Osternachtgottesdienst, Familien- und Skifreizeiten, Epiphaniaskonzerte in der Heilandkirche, Kinderbibelwochen, der Gospelchor „Joyful Voices“ und die Abendgottesdienste. Daneben nannte Nagel die Gründung der „Ev. Stiftung Siemshof“ für Gemeindearbeit und den Erhalt der kirchlichen Gebäude und die Erneuerung des Kirchendachs im Jahr 2018.

 

Doch, so Nagel weiter, nicht die großen Ereignisse seien entscheidend, sondern der Alltag sei der Ernstfall. Begegnung, Wahrnehmung des Gegenübers, Anteilnahme. Als Pastor freue man sich mit den Taufeltern, fiebere mit den Brautpaaren bei der Gestaltung der Traugottesdienst, teile das Leid der Hinterbliebenen bei einem Todesfall. Über sich selbst sagte er: „Ich war und bin gerne Pastor, nicht perfekt, aber ansprechbar und verbindlich. Und hoffentlich vertrauenswürdig.“

 

Dass auch die Gemeindeglieder ihn so wahrgenommen haben, wurde in den Grußworten beim Empfang deutlich: Der Vorsitzende des Siemshofer Presbyteriums, Wilhelm Brinker, dankte für 29 Jahre Gemeindearbeit und dafür, dass Nagel stets ein offenes Ohr gehabt habe, Kollege Eckard Teismann als Sprecher des Löhner Exegeticums, der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft der Löhner Pfarrer, für Nagels Zuverlässigkeit und Ruhe. Ein Grußwort kam auch vom ehemaligen Vlothoer Superintendenten Dr. Christoph Windhorst, der mit Nagel freundschaftlich verbunden ist: Schnell sei ihm in der Begegnung mit Nagel klargeworden: „Mit dem kannst du reden“.

 

Nagels ehemalige Kollegin Anke Starnitzke beschrieb Nagels besondere Beziehung zur Gemeinde: „Der Siemshof und du, da passt kein Blatt dazwischen. Du hast alles gegeben für die Leute hier.“ Wenn auch eher zurückhaltend und schweigsam, so sei Nagel doch ein „echter Teamplayer, der andere machen lassen konnte, aber ganz da war, wenn es drauf ankam.“ Pfarrer Kai Sundermeier von der Nachbargemeinde Mennighüffen dankte für die Zusammenarbeit, unter anderem bei 14 gemeinsamen Bibelwochen, und lobte die Predigten des Kollegen: „total authentisch und mit leisen Tönen“.

 

Über seinen Lebensweg sagt Nagel lächelnd: „Ich habe es weit gebracht – von Obernbeck bis Siemshof.“ In diesem Löhner Ortsteil wurde Nagel 1958 geboren. Beim Empfang erinnerte Jugendfreund Eckardt Koch, bis zum Ruhestand Pfarrer in Enger und wie Nagel in Löhne-Obernbeck aufgewachsen, an gemeinsame Erlebnisse: „1968 haben wir uns in der Jungschar im Schmalenbach-Haus Obernbeck kennengelernt.“ Gemeinsam besuchten die beiden den „ersten und einzigen Reli-Leistungskurs“ am Gymnasium Löhne, studierten in Münster Theologie und spielten im Keller des dortigen Studienhauses Hamann-Stift in einer wohl ziemlich schrägen Band.

 

Musik – das ist bis heute neben der Theologie eine Leidenschaft Nagels geblieben. Als Jugendlichen kamen für ihn eigentlich nur zwei Berufe in Frage: Rockstar oder Pfarrer. Auch wenn er sich für das Pfarramt entschied, so blieb doch die Gitarre sein ständiger Begleiter – beim Spielen zu Hause, aber auch bei Gemeindeaktivitäten wie Kinderbibelwochen.

 

Die Gitarre begleitete ihn nach dem Studium ins Vikariat in Petershagen und in den Entsendungsdienst in Bad Oeynhausen. Es folgten sechs Jahre als Krankenhausseelsorger. Dass er dann nach Löhne-Siemshof ging, hing auch mit den örtlichen Voraussetzungen zusammen: Pfarrhaus, Kirche, Gemeindehaus, Kita, Grundschule in unmittelbarer Nähe: Für die Familie mit drei Kindern ideal. Hinzu kam die die Vertrautheit: „Die Mentalität der Menschen hier war mir als gebürtigem Obernbecker vertraut. Bekanntschaften aus der Schulzeit halfen mit, schnell Kontakte aufzubauen“, sagt Nagel und fügt hinzu: „Ich bin hier sehr freundlich aufgenommen worden.“

 

Den Ruhestand wird Nagel in Obernbeck verbringen, im elterlichen Haus, in das er Mitte Juli einziehen wird. Was er dann machen wird? „Ein halbes Jahr erst mal nichts“ sagt Nagel und kann sich danach ein Seniorenstudium im Bereich Psychologie und die Mitarbeit im Hospizkreis vorstellen. Und dann freut er sich auch noch auf das erste Enkelkind, das unterwegs ist.

 

Abschied aus Siemshof

Erstellt am 04.06.2023

Als ich am 1. Mai 1994 als Siemshofer
Pfarrer eingeführt wurde konnte ich noch
nicht wissen, dass dieser Lebensabschnitt
29 Jahre umfassen würde. Die Zeit in
Siemshof ist für mich prägend gewesen –
nach meiner Tätigkeit als Krankenhausseelsorger.


Die örtlichen Voraussetzungen waren
ideal: Die Nähe zur Kirche, zum Gemeindehaus,
zur Friedhofskapelle, zur Kita und
zur Grundschule: Das kam uns als Familie
mit kleinen Kindern sehr entgegen

.
Ich bin sehr freundlich in Ostscheid und
auf dem Krell aufgenommen worden; die
Mentalität der Menschen hier war mir
als gebürtigem Obernbecker vertraut.
Bekanntschaften aus der Schulzeit halfen
mir, schnell Kontakte aufzubauen, etwa
zu den Zeitungen oder zur Verwaltung.


Für Siemshof war das Krellfest wichtig.
Der Familiengottesdienst im herrlichen
Park hinter dem Gemeindehaus, viele
Kinder und junge Familien: Der Anziehungspunkt
im Sommer für alle Generationen.
Besonders die Feier des Osternachtgottesdienstes
hat mich berührt:
Der Beginn in der stockdunklen Kirche im
Passionsteil, das Verteilen des Lichts, das
triumphierende „Christ ist erstanden“ und
die Feier des Abendmahles. Sehr emotional,
sehr österlich.
Ich erinnere mich an die Familienfreizeiten
in Grömitz und auf Spiekeroog,
die von unserer Jugendreferentin Anja
Heine organisiert wurden.


Das Jahr 2000 war für die Gemeinde
besonders wichtig: Jenny Bohnhorst
gründete den Gospelchor „Joyful Voices“
und der erste Siemshofer Weihnachtsmarkt
fand statt (der hat sich zu einer
Institution entwickelt dank des Einsatzes
von mehr als 100 ehrenamtlichen Mitarbeiter*
innen).
Seit 2009 haben wir die Abendgottesdienste
gefeiert mit einem engagierten
Vorbereitungskreis.
Aus meiner Sicht gab es wesentliche
Ereignisse, die für Siemshof bestimmend
waren:
- Die „Ev. Stiftung Siemshof“, die im
Jahr 2008 gegründet wurde, um Mittel
für die Gemeindearbeit und die Erhaltung
der kirchlichen Gebäude zu
erhalten.
- Die Erneuerung des Kirchendaches im
Jahr 2018 unter der Leitung der
Architektin Katrin Oberschelp

.
Aber nicht die großen Ereignisse sind
ausschlaggebend: Der Alltag ist der Ernst
fall! Die Begegnung mit den Menschen,
die Wahrnehmung des Gegenübers, die
Anteilnahme. Meine These zur pastoralen
Arbeit lautet: „Der Pastor ist ein Freund
auf Zeit“. Er freut sich mit den Taufeltern
über die Geburt des Kindes; er fiebert mit
den Brautpaaren bei der Gestaltung des
Traugottesdienstes; er teilt das Leid der
Hinterbliebenen bei einem Todesfall.
Verbindlich und strukturiert, dabei
menschlich und einfühlsam. Die gründliche
Vorbereitung der Amtshandlungen
und Gottesdienste haben mir immer am
Herzen gelegen.


Ich gehe mit einem weinenden und
einem lachenden Auge in den Ruhestand.
Viele Menschen sind mir ans Herz
gewachsen. Und ich bin außerordentlich
dankbar für gute Gedanken und tröstende
Gebete während
meiner schweren
Erkrankung.


Bleiben Sie behütet.


Ihr Pastor
Jörg Nagel